Mit dem Rennrad die Alpenüberquerung meistern – unsere Tipps
Eine Alpenüberquerung mit dem Rennrad ist für viele Fahrer der Jahreshöhepunkt – und für manche ein bisher unerreichtes Ziel.
Passstraßen aus eigener Kraft erklettern, auf Abfahrten im eigenen Rhythmus durch die Kurven düsen, das Gipfelglück mit beeindruckendem Panorama genießen und den Kopf völlig frei strampeln: Eine Rennrad-Transalp ist ein unvergessliches Erlebnis. Wir geben dir Tipps zur Vorbereitung – von der Rennradwahl bis zur Planung deiner Alpencross-Route.
Warum überhaupt ein Rennrad-Alpencross?
Eine Alpenüberquerung mit dem Rennrad hat das Potenzial für Extreme. Hochgefühl und Erschöpfung, Freude und Schmerzen, Lust und Leiden liegen manchmal ganz nahe beieinander. Aus eigener Kraft auf den höchsten Straßen Europas über die Berge zu klettern: Für die meisten, die die Faszination Rennrad noch nie erlebt haben, fällt das schnell in die Kategorie „Wahnsinn und Verrücktheiten“.
Für Rennradfahrer aber ist es unzweifelhaft die Königsdisziplin und oft ein lang gehegter Traum. Nach vielen Monaten des Trainings und der Planung die große sportlichen Herausforderung endlich in Angriff nehmen zu können, ist ein Hochgefühl, das seinesgleichen sucht. Im Kopf die Streckenplanung, spektakuläre Fotos und mitunter die Ungewissheit, ob du das auch wirklich alles schaffen wirst – die Rennrad-Transalp ist eine Achterbahn der Gefühle.
Welche Transalp-Route steht auf deiner Rennrad-Bucketlist ganz oben?
Es gibt viele Wege, die über die Alpen führen. Die Routen-Klassiker beginnen südlich von München in Garmisch-Partenkirchen oder auch in Kempten.
Eine beliebte Variante führt von Garmisch über das Seefeld nach Tirol. Dort warten der Möserer Berg, die schöne Pillerhöhe, die Norbertshöhe, Nauders und schließlich der Reschenpass an der italienischen Grenze mit dem berühmten Kirchturm, der aus dem Stausee ragt. Über Prad rollst du dann auch schon auf das Stilfser Joch zu. Als einer der berühmtesten und beliebtesten Anstiege der Alpen ist das Stilfser Joch für viele der Höhepunkt der Alpenüberquerung mit dem Rennrad.
Hier hast du die Qual der Wahl: In einer rasanten Abfahrt direkt zum bekannten Ski- und Fremdenverkehrsort Bormio und dann weiter über den Gaviapass – oder vielleicht doch ein Ausflug in die Schweiz? Bei der zweiten Variante fährst du durchs Val Müstair zum Ofenpass und weiter über Passo d’Eira und Passo di Foscagno bis Bormio. Von dort aus kannst du den Passo Mortirolo in Angriff nehmen.
Der Mortirolo-Pass ist legendär. „Mauer“ nennen die Einheimischen die Passstraße, die zu den steilsten und härtesten Anstiegen im Alpenraum gehört. Von Tovo di Sant’Agata beträgt seine Durchschnittssteigung mehr als zwölf Prozent.
Aber auch der landschaftlich sehr reizvolle Gaviapass hat es in sich. Insbesondere die Südrampe hat einige „giftige“ Passagen mit 14 und 16 Prozent Steigung. Der Gaviapass mit dem Lago Nero kurz unterhalb der Passhöhe aus südlicher Richtung ist einer der landschaftlich schönsten Pässe der Alpen.
Ist der Passo Mortirolo überwunden, geht es weiter über den Passo Tonale nach Madonna di Campiglio, ein weiterer schöner Ort im Trento. Nun kommt die letzte Herausforderung mit dem Passo Daone, dem Passo Durone und dem Passo Ballino, der die letzte zu überwindende Passhöhe ist. Nun hast du es geschafft: In Torbole unweit von Riva am Gardasee bist du am Ziel der Transalp mit dem Rennrad.
Ob du die Einsteiger-Route über den Reschenpass, die Dolomiten-Tour, die Route über das Stilfser Joch oder die kurze Variante über das Timmelsjoch nimmst: Es gibt eine Vielzahl von Alpencross-Routen, bei denen Transalp-Einsteiger ebenso wie Kletter-Aficionados auf ihre Kosten kommen.
Mit dem Rennrad über die Alpen: Das solltest du beachten
Hier erfährst du, was du bei deiner Vorbereitung beherzigen solltest, damit die Fahrt übers Stilfser Joch oder andere hoch gelegene Passstraßen auf deiner Alpencross-Route zum Traum und nicht zum Albtraum wird.
Beim Gepäck ist Gewicht sparen das Gebot der Stunde. Nimm nur mit, was unentbehrlich ist – aber auch nicht weniger, als du mit gutem Gewissen verantworten kannst. Es gibt hervorragende Leichtrucksäcke mit 30 Litern Volumen, in die Gepäck für bis zu eine Woche passt. Damit fühlst du dich trotz Gewicht am Rücken wohl auf dem Rennrad.
Oh doch! An einem Sommertag mit schönem Wetter und wenig Verkehr ist etwa die Route von Prad nach Bormio ein Traum für jeden gut vorbereiteten Rennradfahrer. Doch bei Nebel, Regen und Schnee kann es auf der hochalpinen Strecke, die bis auf eine Höhe von 2.757 Meter führt, verdammt ungemütlich werden. In den Alpen solltest du immer einen Windstopper sowie Beinlinge und Armlinge für die Abfahrt dabeihaben.
Auf der Strecke nach Bormio sind einige Galerien zu durchqueren. Daher sind Fahrradlichter ratsam, damit du ganz sicher nicht übersehen wirst. Du bist auch gut beraten, die höchste Passstraße Italiens im Hochsommer an einem Wochenende nachmittags zu meiden: Der motorisierte Verkehr in Form von Motorrädern, Autos und Reisebussen kann brutal sein. Eine ruhige Fahrt frühmorgens an einem Wochentag ist da schon viel entspannter und ermöglicht dir, die wunderbare Streckenführung noch viel intensiver zu erleben.
Ein vernünftiges Höhenmeter-Training solltest du in der Saison bereits absolviert haben, wenn du eine Passstraße wie das Stilfser Joch in Angriff nimmst. Denn über 2.000 Meter Seehöhe machen sich bemerkbar!
Kombinierst du bei der Alpenüberquerung eine Reihe anspruchsvoller Pässe, dann solltest du immer jene Kilometer und Höhenmeter im Hinterkopf behalten, die du dann schon in den Beinen hast. Kommst du nach zwei langen und anstrengenden Fahrtagen abends in Bormio an, dann kann ein Tag Pause nicht schaden. Denn nur die Hartgesottenen, die ein sehr hohes Höhenmeter-Pensum verkraften, können einen dritten Fahrtag verkraften – erst recht, wenn er Brecher wie den Mortirolo-Pass oder den Gaviapass bereithält.
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Welches Rennrad ist das beste für die Alpen?
Komfortabel auch bei langen Fahrten, vielseitig im Einsatz und dennoch schnell: Endurance-Rennräder sind wohl die beste Wahl für Radsportler, die sportlich und dennoch so entspannt wie möglich in den Alpen unterwegs sein wollen. Denn bei einer Alpenüberquerung mit dem Rennrad zählt das beste Gesamtpaket. Auf einem Endurance-Rad fühlst du dich bei deinen Rennradtouren auch nach vielen Stunden im Anstieg sowie auf der Abfahrt wohl und bist flott unterwegs.
Beginnend beim Einsteigermodell mit Aluminium-Rahmen bis zum High End Endurance-Renner ist für jedes Budget das passende Rad dabei. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, der kann mit elektronischer Unterstützung die Transalp in Angriff nehmen: mit smartem Akku, komfortabler Langstrecken-Geometrie und klassischem Rennrad-Handling.
Auch mancher Profi weiß ein wenig Komfort durchaus zu schätzen. Denn es steht nachweislich fest: Komfortablere Rennräder beugen schneller Ermüdung vor. Auch nach vielen Stunden im Sattel eines Endurance-Rennrades ist es noch möglich, ordentlich Leistung abzuliefern. Die drei wesentlichen Komfortfaktoren eines Rennrads sind dabei der Rahmen, die Reifen und die Sattelstütze.
Carbon als Werkstoff hat hier vieles möglich gemacht, was noch vor wenigen Jahren undenkbar war: Rahmen zu bauen, die extrem steif sind und gleichzeitig dank einer sehr spezifischen Nachgiebigkeit von Gabel und Hinterbau in vertikaler Richtung federn. Mit dieser „Compliance“ ist es möglich, die permanenten Erschütterungen vom Untergrund zu absorbieren. In Kombination mit einer in Carbon ausgeführten Sattelstütze lässt sich der Federungseffekt noch weiter verbessern. So ist es auch nach vielen Stunden im Anstieg und am letzten Tag der mehrtägigen Tour über die Alpen noch immer ein Genuss, auf dem Rad zu sitzen.
Viele Endurance-Rennräder werden mittlerweile mit Scheibenbremsen ausgestattet. Bremskörper von Felgenbremsen, welche die Reifenbreite limitieren würden, fallen weg: Nur Rahmen und Gabel geben vor, welche maximale Reifenbreite ins Rad passt. Darum haben viele Endurance-Rennräder heute breitere Reifen, die mit weniger Druck gefahren werden und bei geringem Rollwiderstand mehr Komfort, mehr Grip und auch mehr Sicherheit bieten.
Heute sind im Marathon-Segment daher 28-mm-Reifen eher die Untergrenze. Häufig sind 30er- oder sogar 32er-Reifen zu finden. Das Coole daran: Das Endurance-Rennrad wird dadurch noch vielseitiger. Eine kleine Schotterpassage, wie sie auf vielen Alpenpässen immer wieder auftreten kann, meisterst du damit problemlos.
Endurance Bikes
Fahrräder, die für Bikepacking, Gravel Rides oder den Sieg beim Trans Continental Race entwickelt wurden.
Entdecke die ModelleSchaffe ich einen Rennrad-Alpencross auch als Anfänger?
Die gute Nachricht: Ein Alpencross mit dem Rennrad ist auch mit überschaubarem Trainingsumfang zu schaffen. Wenn du zweimal die Woche Strecken mit zumindest 50 Kilometern und circa 600 Höhenmetern im Rahmen deiner Trainingsroutine bewältigst, dann ist das ein guter Startpunkt. Um ein besseres Gefühl für eine Etappe mit vielen Höhenmetern zu bekommen, sollte auch einmal eine Ausfahrt mit 1.000 oder mehr Höhenmetern dabei sein.
Wenn es auf die Transalp geht, dann ist gute Einteilung der Tour sehr wichtig. Du solltest auf allen Etappen der Strecke konzentriert dein eigenes Tempo fahren. Achte von Anfang an auf die stetige und ausreichende Zufuhr von isotonischen Getränken und Kohlenhydraten.
“Der Körper kann pro Stunde nur etwa 60 bis 90 Gramm zugeführter Kohlenhydrate verarbeiten, aber bis zu 200 Gramm verbrauchen. Viele halten sich an eine einfache Faustregel und nehmen je 25 kg Körpergewicht einen Riegel pro Stunde zu sich. Bei einem Körpergewicht von 75 kg bedeutet das, drei Riegel pro Stunde zu essen. Im Sommer ist es je nach Hitze empfehlenswert, zwischen 0,75 und 1 Liter pro Stunde isotonischer Flüssigkeit zu trinken.”
Als Anfänger solltest du bei deiner ersten Überquerung der Alpen zumindest einen Ruhetag einplanen. Am besten nach dem zweiten, eventuell erst nach dem dritten Etappentag. Am Ruhetag ermöglichst du dem Körper, sich von den Strapazen zu erholen.
Rennrad-Alpencross – solo oder besser in der Gruppe?
Wenn du die Alpenüberquerung mit dem Rennrad allein in Angriff nimmst, hast du den Vorteil, dass du die Längen der Etappen nur mit dir selbst ausmachen musst. Aber die Medaille hat zwei Seiten: Erfahrungsgemäß fährst du dann eher zu viel als zu wenig. Schwierige Passagen gemeinsam meistern, auch mal im Windschatten fahren und nicht zuletzt ein Plus an Sicherheit: Auf diese Vorteile verzichtest du, wenn du allein aufbrichst. Allerdings wirst du in den Alpen ohnehin auf andere Radsportler treffen, mit denen du dich gegebenenfalls zusammenschließen kannst.
Im Gruppetto macht das Fahren den meisten gleich noch einmal so viel Spaß. Möchtest du die Alpenüberquerung mit dem Rennrad gemeinsam mit Freunden meistern, solltet ihr ein gutes Verständnis über eure Leistungsniveaus haben. Ihr solltet wissen, ob ihr in etwa das gleiche Niveau über mehrere Tage fahren könnt. Die Charakteristika einer „guten“ Gruppe sind Zusammenhalt und Gemeinschaftssinn. Konkurrenzdenken und Wettkampfmentalität sind fehl am Platz. Übereifrige lernen schnell dazu, wenn sie auch einmal die Nachhut übernehmen und sich um die schwächeren Teilnehmer rücksichtsvoll kümmern.
Alpenüberquerung mit dem Rennrad – geführt oder auf eigene Faust?
Geführt von Unterkunft zu Unterkunft fahren, jeden Tag frisch gewaschene Radwäsche anziehen und sich nicht mit der Detailplanung herumschlagen – das hat für viele einen großen Reiz. Darum kann eine geführte Alpencross-Tour von einem professionellen Veranstalter durchaus eine Option sein.
Ein guter Gruppen-Guide schafft es auch noch bei 16 Fahrern in der Gruppe, dass jeder auf seine Kosten kommt. Die Kunst ist es, die Fahrer der Gruppe so „einzubremsen“, dass die Schnellsten es genießen und die Langsamsten immer ein sicheres Gefühl haben. Am Berg wird meist frei gefahren, in der Ebene fährt die Gruppe in der Regel zusammen. Wer noch viel Kraft hat, kann den Windschatten für die schwächeren Gruppenfahrer machen.
Wichtig bei einer geführten Alpenüberquerung mit dem Rennrad ist, dass Guide und Busfahrer die Gegend gut kennen und dafür Sorge tragen, dass das Begleitfahrzeug immer gut positioniert ist. So kann es bei Bedarf Fahrer aufnehmen, die den Pass nicht geschafft haben oder vor einer spektakulären Abfahrt die Möglichkeit geben, das durchgeschwitzte Dress zu wechseln. Erfahrene Guides haben zudem ein gutes Gefühl für das richtige Verhältnis von Pausen und Fahrzeiten.
Wo finde ich Routen für die Alpenüberquerung mit dem Rennrad?
Auf den Touren-Portalen von Rennradmagazinen und bei Anbietern von Outdoor-Apps gibt es Routen für die Alpenüberquerung mit dem Rennrad in unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen. In der Regel sind die Touren als GPX-Datei und in anderen gebräuchlichen Formaten verfügbar. So kannst du sie einfach auf deinen Radcomputer laden und mit der Navigation nach Lust und Laune starten. Für jeden Geschmack ist was dabei: Vom Einsteiger bis zur Klettergemse kommen alle auf ihre Kosten.
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