Laura Philipp: Europameisterin im Triathlon
Wie wird man zur Top-Triathletin Europas? Laura erzählt von ihrem Triumph bei der EM in Finnland, wie sie sich aus ihrem mentalen Tief befreien konnte und wie sie ihre Chancen auf einen Sieg in Kona einschätzt.
Die letzten 18 Monate dürften für alle eine Herausforderung gewesen sein – auch für Profisportler. Als Kona 2020, der jährliche Saisonhöhepunkt im Triathlon auf der Langdistanz, coronabedingt abgesagt wurde, mussten viele aus der Triathlon-Community wieder von vorn anfangen.
Nach einem Jahr mit nur sporadischen Trainings und Rennen versuchen jetzt viele Triathleten, wieder in Form zu kommen, um sich für die kommende Weltmeisterschaft auf Hawaii zu qualifizieren. Die Herausforderung ist auch deswegen so außergewöhnlich, weil es durch die wenigen Events letztes Jahr kaum Gelegenheit gab, seine persönliche Bestform und Wettkampfhärte aufzubauen.
Laura Philipp hat sich immer wieder als Triathletin von Weltrang bewiesen, aber auch für sie war die erste Jahreshälfte 2021 voller Ungewissheiten und Verletzungen. Ursprünglich hatte sie es sich zum Ziel gesetzt, früh die Qualifikation für Kona zu sichern und dann bis zum Event im Oktober zur Höchstform aufzulaufen.
Gerade in der Spitzenklasse sind Langstrecken-Triathlons berüchtigt für die enorme körperliche und geistige Kraft, die sie Teilnehmern abverlangen. Wie also hat Laura diese Hürden überwunden?
Verletzung, Absagen und Ungewissheit
„Mein Ziel für die Qualifikation war ein Event in Texas im März. Aber als es dann abgesagt wurde, wusste ich nicht, was ich machen soll“, erzählt uns die Sportlerin von ihrem Zuhause in Heidelberg aus. „Ich hatte die letzten paar Monate auf dieses eine Event hintrainiert. Das war für mich ein riesiger Rückschlag.“
Aber die Zeit lief: Laura konnte sich keine Ruhepause leisten, wo doch so viel von ihrer Qualifikation abhing. Nach einer besonders langen Einheit auf dem Rollentrainer bemerkte sie ein Ziehen in der Hüfte, das auch in den folgenden Tagen nicht wieder verschwand. Nach unzähligen Besuchen bei Ärzten und Physiotherapeuten wurde ihr schlimmster Albtraum wahr: „Ich konnte wegen der Verletzung nicht in Tulsa an den Start gehen und hatte keine Ahnung, wie lange ich brauchen würde, um mich zu erholen.“
Bei Wettkämpfen ist Timing alles. Das gilt im Triathlon ganz besonders. Sportler müssen auf das Zielevent hintrainieren, damit sie genau dann in Höchstform sind, wenn der Startschuss fällt. Laura war in der Form ihres Lebens – sich mit dem Gedanken anzufreunden, dass die ganze Vorbereitung, das harte Training und die monatelange Askese umsonst war, brach Laura das Herz. „Ich konnte sieben Wochen lang nicht trainieren. Für Ausdauersportler ist das eine Ewigkeit“, erklärt sie. „Ich habe an Form und Fitness alles verloren. Für mich war das mental ein echter Tiefpunkt,“ fügt sie hinzu.
Die verletzungsbedingte Auszeit war für Laura nicht die erste Erfahrung dieser Art. Sie wusste also, dass sie sich Zeit lassen musste für eine nachhaltige Regenerationsperiode, um so schnell wie möglich wieder dabei sein zu können.
Aber die Zeit lief weiter.
Sie setzte sich mit Ihrem Trainer (und Ehemann, Philip Seipp) hin, um die Saison noch einmal neu abzustecken: Was wäre das nächste Event, bei dem sie sich realistisch für Kona qualifizieren könnte?
Finnland, 14. August 2021. Europameisterschaft der Frauen.
„Das Event ist so besonders, weil die ganzen Medien darauf konzentriert sind“, bemerkt sie, da zum ersten Mal die Meisterschaften der Frauen und der Männer getrennt ausgetragen wurden. „Es wäre zwar schön gewesen, in Frankfurt, wo das Event der Männer stattfand, sozusagen ein Heimspiel zu haben. Aber es war auch etwas ganz Besonderes, ein Event nur für Frauen zu machen, das nicht von parallel abgehaltenen Rennen beeinflusst wird.“